Mikroabenteuer in der Schule und auf Exkursionen

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Der Begriff Mikroabenteuer taucht mittlerweile mit großer Regelmäßigkeit in der Ratgeberliteratur und auch in Medien auf. Gerade die Corona-Pandemie wirkte als Katalysator für ihre Beliebtheit. Es handelt sich um kurze und wenig aufwändige Ausbrüche aus dem Alltag, in denen teilweise die eigene Komfortzone verlassen wird. Es sind Herausforderungen, die mit eigenen Gewohnheiten für einen kurzen Zeitraum brechen und beim Individuum Selbsterfahrungsprozesse in Gang setzen, die neugierig auf mehr machen oder die eigenen Gewohnheiten und Annehmlichkeiten in eine neue, wertschätzende Perspektive rücken. Vielleicht helfen sie auch einfach nur dabei den Kopf freizubekommen. Gelegenheiten für solche Ausbrüche finden sich überall, oft ganz in der Nähe.
Im Folgenden werde ich an ein paar Beispielen erklären, warum Mikroabenteuer nicht nur ein Modephänomen für gelangweilte Städter*innen sind, sondern vielmehr im Rahmen der Exkursionsdidaktik ebenfalls ein Potential bieten für geographisches, fächerübergreifendes und/oder soziales Lernen. Teilweise sind sie die Ideen auch im Bereich der Naturpädagogik oder auch der Erlebnispädagogik angesiedelt. Sie eignen sich deshalb auch, um sie als komplementäre Teile einer Exkursion zu verwenden.
Die Beispiele brauchen nur die Idee und ein klein wenig Mut; es sind keine ausgefeilten, planungsintensiven Touren, für die viel Ausrüstung benötigt wird. Schauen Sie einfach mal in die Zusammenstellung, evtl. gefällt ihnen ja eine der Ideen.
Sie haben eine gute Idee oder so etwas schon einmal gemacht? Schreiben Sie gerne eine Mail, ich nehme das gerne auf.

Besteigung des höchsten Punktes in der Nähe
Der höchste Berg eines Landes findet sich auf jedem Topographiearbeitsblatt, wer aber kennt den höchsten Berg oder Punkt der eigenen Stadt? Dabei bietet ein kurzer Ausflug ein hohes Potential. Zum einen kann die Suche des höchsten Punktes die sinnvolle Einbindung von Höhenlinien topographischer Karten sein. Unter www.openstreetmap.de finden sich topographischen Karten von Deutschland, die für diese Suche und auch für die Erstellung eigener Arbeitsblätter genutzt werden können.
Zum anderen kann der Besuch des höchsten Punktes in vielen Fällen eine Aussicht bieten. Diese kann z.B. als Einstieg in den Unterricht zum Nahraum genutzt werden. Auch eine Beschäftigung mit der Genese des Berges kann ein Anlass sein. Beispielsweise gibt es zahlreiche Schuttberge aus der Nachkriegszeit in deutschen Städten. Für einen solchen Ausflug reicht je nach Entfernung eine Doppelstunde aus.

Die Umwelt bewusst erleben
Jeden Tag gehen wir durch die Räume des Alltags, ohne uns mal Zeit für sie zu nehmen. Das kann eine Blumenwiese sein, ein Wald, eine Stadt, Regen, starker Wind oder auch etwas ganz anderes. Die Idee dieses Mikroabenteuers ist es, sich bewusst lange Zeit zu nehmen, verschiedene Eindrücke in einem solchen Raum zu sammeln. Dabei geht es zunächst einmal darum, genau zu beobachten, was um einen herum passiert. Dabei entdeckt jede/r Dinge, die ihm/ihr schon lange nicht mehr oder noch nie aufgefallen sind. Es ist hier angeraten, die Beobachtungen zu protokollieren (Stichworte, Zeichnung, Tonaufnahme o.ä). Da etwa 80% der von uns wahrgenommenen Informationen visuell sind, erscheint es darüber hinaus sinnvoll, zumindest als Teil der Erfahrung die Augen zu schließen, um die Wahrnehmung der anderen Sinne zu schärfen. Das Riechen, Hören, vielleicht auch Erfühlen erweitert dann nochmal die Beobachtungen hin zu einer Achtsamkeit für kleine, aber vor allem komplexe Dinge, die uns täglich umgeben. Probieren Sie es einfach mal aus, auch Sie als Lehrer*in werden überrascht sein, was sich entdecken lässt. 
Gerade die Konfrontation mit Regen ist ganz eindeutig ein Verlassen der Komfortzone. Der Regen kann dabei spontan von einer unangenehmen Nebenerscheinung zum Gegenstand der Erfahrung umgedeutet werden. Bei der Reflexion kann thematisiert werden, in welchen Situationen sich Regen nicht vermeiden lässt, was gegen Regen hilft und was nicht. Auch die Wertschätzung eines geheizten Raums kann dabei aufgegriffen werden.
In der Natur können Mikroabenteuer dieser Art z.B. mit dem Barfußgehen (s.u.) kombiniert werden. Je nach Raum kann auch eine unterrichtliche Einbindung erfolgen (z.B. als Einstieg in ein Thema).

Mikroabenteuer können Ergänzungen für längere Exkursionen sein oder kurze eigenständige Unterrichtsgänge. Fotos: A. Hoogen

Barfuß laufen
In die Kategorie Naturerfahrungen und auch Selbsterfahrung fällt das Barfuß laufen, beispielweise in einem Wald, aber auch in Gewässern. Wer es eher kontrolliert mag, kann auch Anlagen zum Wassertreten nach Kneipp nutzen oder angelegte Barfußpfade.
Neben der evtl. ungewohnten Erfahrung hat Barfußgehen eine Reihe nachgewiesener Effekte auf Sensorik, Gleichgewichtssinn, aber gerade auch auf die Haltung und Fußstellung. Im Wasser kommen positive Effekte für den Kreislauf hinzu. Das Barfußlaufen kann als Teil einer ganzhaltigen Naturerfahrung eingesetzt werden.

Natur früh morgens oder spät abends
Natur hat auch eine Uhr. Gerade die Schulzeit beschränkt die Möglichkeit, diese Uhr zu erfahren, da hilft nur der Ausbruch aus diesem Korsett. Vor allem für das Fach Biologie bietet sich das besonders an, weil die Beobachtung von Vögeln um 5h morgens einfach eine ganz andere ist als zur normalen Schulzeit. Auch an Flüssen oder am Waldrand kann in der Abenddämmerung ein ganz anderes Leben wahrgenommen werden als mittags. Kurze Ausflüge wie diese können auf Klassen- oder Studienfahrten ganz andere Lernanlässe bilden als beispielsweise die klassische Nachtwanderung. Aber auch letztere hat beispielsweise durch eine Sternenhimmelapp auch immer einen Wert.

Picknick
Ein sehr niederschwelliges Mikroabenteuer ist ein Picknick. Natürlich erscheint das aus Sicht einer/s Lehrer*in mit spezifischem sozioökonomischem Hintergrund zunächst als wenig ausgefallen, aber für viele Kinder ist das gemeinsame, vorbereitete Essen in der Natur eine gänzlich neue Erfahrung. Fragen Sie einfach mal in Ihrer Klasse. Die Planung mit Decken, Besteck, Tellern und verschiedenen mitgebrachten Speisen sowie Getränken unterscheidet sich erheblich vom mitgebrachten Brot oder dem Besuch eines Supermarktes oder Schnellrestaurants, wie es normalerweise auf Exkursionen Standard ist. Gerade das gemeinsame Essen ist eine in immer mehr Familien verloren gegangene Kulturtechnik. Es kann so eine Gruppenerfahrung bilden, die das soziale Lernen und Teambuilding unterstützt. Auf diese Weise können Mittagspausen auf einer Tagesexkursion über die kurze Erholung hinaus sinnhaft gefüllt werden.

Kochen im Freien, evtl. mit selbstgebautem Kocher
In zahlreichen Ratgebern oder im Internet begegnet einem heute der Begriff Bushcraft. Es geht dabei um die vielfältige Nutzung von Fähigkeiten und Techniken des Überlebens oder eines längeren Aufenthalts in der Natur. Mit Schüler*innen könnte es interessant sein, bestimmte Techniken auszuprobieren, z.B. die Kochtechniken. Schon das Kochen mit ganz einfachen Mitteln wie Gaskochern und genauso einfachen Rezepten, z.B. simple Pasta Soßen, kann für Schüler*innen eine neue Erfahrung sein. Ein solches kleines Projekt lässt sich in Mittagspausen auf Tagesexkursionen einbauen und lädt diese zweckgebunden auf. Natürlich müssen für eine solche Aktion Kocher vorhanden sein, auch die Sicherheitsvorkehrungen müssen beachtet werden. Etwas günstiger aber dafür von der Erfahrung intensiver, ist der Bau von eigenen sogenannten Hobo-Kochern, für die es zahlreiche Bauanleitungen bei YouTube gibt.

Übernachtung im Zelt
Das Zelten bietet eine für viele Schüler*innen neue Erfahrung. Das große Plus von Zelten ist, dass die Gruppe der Natur näher ist als in anderen Unterkünften. Die Geräusche, der Wind, die Luft, aber auch Regen und die Kälte sind bei einer Übernachtung im Zelt ganz nah und unmittelbar. Dazu rücken Schüler*innen im Zelt natürlich buchstäblich näher zusammen. Das Gemeinschaftsgefühl kann erheblich gefördert werden, auch die Nähe zur Natur kann viel intensiver erfahren werden. Als einmaliger Versuch kann Zelten äußerst bereichernd wirken. Es sollte aber immer im Hinblick auf die Lerngruppe abgewogen werden, ob solch eine Aktion machbar ist. In manchen Gruppen kann Zelten au starke Widerstände oder Bedenken stoßen, auch muss die Verfügbarkeit von Ausrüstungsgegenständen wie Zelten, Schlafsäcken und Isomatten berücksichtigt werden. Zelten kann sehr gut kombiniert werden mit anderen Mikroabenteuern wie draußen kochen oder dem frühen Aufstehen (s.o.).

Müll sammeln
Natürlich ist das Müllsammeln auf den Schulhof für Schüler*innen bekannt, aber darüber hinaus lässt sich mit dem Müllsammeln eine ganze Menge lernen. In der Natur lassen sich bei genauerem Hinsehen große Mengen an Plastikmüll finden. An Flüssen, v.a. nach Hochwasser, aber auch an alle möglichen Orten, wo Menschen abends zusammensitzen bleibt Müll liegen.
Um Schüler*innen dafür zu motivieren können verschiedene Maßnahmen sinnvoll erscheinen. Zum einen ist es wichtig, dass die Menge des Mülls visualisiert wird, z.B. in Form von Müllsäcken. Schnell kommt da eine Menge zusammen, die man so nicht erwartet hätte. Eine weitere Möglichkeit könnte ein Wettbewerbselement sein, z.B. das spektakulärste Fundstück oder das älteste Ablaufdatum. Ein Projekt an meiner Schule förderte vor ein paar Jahren aus den tiefsten Ecken des Schulhofes Müll hervor, der über 30 Jahre alt war. Und dass, obwohl bei uns jede Woche Müll gesammelt wird.
Ziel einer solchen Aktion kann es sein, die Menge des uns umgebenden Mülls oder auch die Langlebigkeit von Müll praktisch zu erfahren und handlungsorientiert zu adressieren. Hier kann sicher auf die Expertise von eigentlich überall wachsenden Initiativen zur Müllsammlung zurückgegriffen werden.

Müllarmes Frühstück/Essen
Ein kleines Projekt könnte sein, den eigenen Konsum hinsichtlich des anfallenden Mülls zu reflektieren. Hier könnten Gruppen gebildet werden, die Utensilien für ein Frühstück einkaufen sollen. Dabei wäre es der Wettbewerb, möglichst die geringste Menge an Müll zu produzieren. Hierbei kann nach Gewicht gegangen werden oder Punkte für Verpackungen vergeben werden. Anschließend sollte natürliche eine Reflexion erfolgen, welche Konsummuster besonders wenig Müll produzieren und welche eher Verpackungsintensiv sind.